Ulrich Kretschmann Malerei

 

Ulrich Kretschmann begann 2005 mit einer Serie von kleinformatigen Gemälden, die auf den ersten Blick an atmosphärische Himmels- oder Landschaftsbilder der Romantik er-innern. Beim genaueren Hinsehen erkennt man jedoch die rein abstrakten Ursprünge dieser farblichen Konfigurationen, die sich erst im Auge des Betrachters und mithilfe seiner Seherfahrungen zu lichtakzentuierten Wolkenformationen verwandeln.

 

In den Jahren davor war Ulrich Kretschmann als Absolvent der Meisterklasse des Kon-zeptkünstlers Lothar Baumgarten vor allem mit skulpturalen Installationen hervorgetreten. Der Gattungswechsel hatte mit einem Arbeitsunfall zu tun, der den Künstler in seinem Bewe-gungsradius stark einschränkte. Dabei wurde bei ihm der Wunsch wach, zu einem sinn-licheren Schaffensprozess zu gelangen, der mehr persönliche Überraschungen bereitet als es ihm eine rein rational angelegte Konzeptkunst ermöglichte. Ein wenig befeuerte ihn auch ein anti-akademischer Impuls. Begriffe wie Gefühl, Geheimnis oder Poesie waren an der Hochschule Ende der 1990er Jahre geradezu mit einem Bann belegt. 

 

Kretschmann orientiert sich bei der Arbeit an keinem Vorbild, sondern entwickelt völlig frei seine dramatisch scheinenden Szenerien, deren Zentren zumeist von einem unstofflichen Leuchten beherrscht sind. Die räumliche und emotionale Wirkung dieser formalen Reduk-tion ist erstaunlich. Die Kraft von Kretschmanns Bildern speist sich aus dem, was er nicht malt. Sie verweisen auf eine Transzendenz hinter dem Sichtbaren, das unkommentiert bleibt und dem der Betrachter selber eine Bedeutung verleihen muss.

 

Kretschmann schafft diese Bilder aus einem zeitgenössischen Bewusstsein in Kenntnis sämtlicher kunsthistorischer Verwerfungen des 20. Jahrhunderts. Sie sind eine selbstre-flexive Auseinandersetzung mit der artifiziellen Wirklichkeit einer farblichen Oberfläche und den Projektionsleitungen des Betrachters.

 

Marc Wellmann

 

Aus dem Katalog zur Ausstellung Pfadfindung in der Kunstallanz 1 Berlin

vom 11. September bis 4. Dezember 2012